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Retargeting – der Google Ads Turbo

Retargeting und Remarketing

Die Retargeting-Technologie wird seit einigen Jahren eingesetzt. Seit einigen Monaten bietet auch Google diese Möglichkeit – und kann durch seine Marktmacht auch gleich einen neuen Begriff dafür definieren: Remarketing.

Der Einstieg von Google in das Retargeting hat eine Euphorie-Welle bei Werbeverantwortlichen ausgelöst. Plötzlich gibt es eine neue große Zielgruppe: Besucher der eigenen Site im Internet aufspüren und an Ihre Kaufabsicht erinnern! Das ist eine tolle Chance, unentschlossene Nutzer vielleicht doch noch zu überzeugen. Ebenso kann man die eigenen Kunden erneut mit Google Ads-Anzeigen ansprechen und sie auf neue Produkte aufmerksam machen!

Es funktioniert so: Ein Website-Betreiber implementiert ein Code-Schnipsel auf seiner Site. Dadurch erhalten seine Besucher – unabhängig über welchen Weg sie auf die Site kamen – einen Cookie. Surfen sie nun auf anderen Sites im selben Werbenetzwerk, können sie gezielt „umworben“ werden. An den Werbeeinblendungen auf der Google-Suchergebnisseite ändert sich dadurch nichts. Es geht beim Remarketing um das riesige Google-Display-Netzwerk (Adsense). Auf vielen tausend Sites, die Google Werbung ausliefern, können Nutzer nun gezielt angesprochen werden.

Die neue Zielgruppe Site-Besucher

Nicht nur im Internet ist die Neukundengewinnung eine kostspielige Angelegenheit. Wenn ein potentieller Kunde endlich auf der eigenen Site angekommen ist, hat er im Laufe seiner „Customer Journey“ schon einige Kosten verursacht. Je nach Art und Preis des angebotenen Produktes oder der Dienstleistung waren diverse Kontakte mit der eigenen Marke notwendig. Dabei ist es unwesentlich, ob er Banner, Videos oder Textanzeigen der eigenen Marke gesehen hat – alles kostet. Bei einer CPM-Kampagne kostet eine Einblendung ohnehin – aber auch wenn „per Klick“ bezahlt wird, kostet die Einblendung! Im Artikel „Die Adwords-Lüge“ habe ich erläutert, dass auch „Nicht-Klicks“ teuer sind.

Nach dieser Investition soll der potentielle Kunde auf meiner Site nun auch das Gewünschte tun. Werden Produkte verkauft, soll er in den Shop klicken und einkaufen. Geht es um Dienstleistungen, sollen Leads generiert werden – er soll also das Kontaktformular ausfüllen, mir eine Mail schreiben oder anrufen. (Anmerkung: Genau das, was man sich vom potentiellen Kunden wünscht, muss unbedingt als Conversion in Google Ads gemessen werden, weil sonst keine Optimierung auf Erfolg möglich ist.)

Ob der Kunde das tut, was sich der Site-Betreiber wünscht, hängt von vielen Faktoren ab. Weil die Usability der Site ein wichtiges Element davon ist, sollte die Internet-Agentur, die die Site betreut, gerade diese Usability-Aspekte im Blick haben. Eine gute SEA-Agentur wird Ihnen sicherlich auch hilfreiche Tipps zur Optimierung der Site-Usability geben – ein Optimierungs-Discounter hat nicht die Zeit dazu.

Es gibt aber viele potentielle Neukunden, die das Gewünschte einfach nicht tun. Sie klicken auf der Site umher, füllen den Warenkorb … und plötzlich sind sie wieder weg. Die hohe Investition in diesen potentiellen Neukunden war also erfolglos. Vielleicht wurde er gerade unterbrochen, weil er heimlich in seiner Arbeitszeit aus dem Büro am Shoppen war? Vielleicht würde er es am Wochenende noch einmal probieren, hat sich aber den Namen des Shops nicht gemerkt? Oder er erinnert den Namen noch vage – aber der SEM-Dienstleister hat keine umfangreiche Liste möglicher Falschschreibweisen generiert oder ergänzt diese nicht kontinuierlich mit real bei Google eingegebenen Suchbegriffen?

Jetzt kommt das Retargeting ins Spiel: Der Nutzer hat beim Besuch der Site ein Cookie erhalten, der ihn als Site-Besucher kennzeichnet. Eventuell wurde er auch genauer getrackt: Welche Produktkategorie hat er besucht? Hat er den Warenkorb gefüllt? Hat er den Kauf abgeschlossen?

Anhand dieses „Markers“ kann dieser Nutzer nun auf beliebigen Websites desselben Netzwerks erneut angesprochen werden. Er befindet sich beispielsweise in irgendeinem Forum und unterhält sich über Krankheiten. Plötzlich sieht er dort eine Banner-Werbung eines Elektronik-Versenders bei dem er vor einer Woche einen MP3-Player bestellen wollte, als sein Computer abstürzte. Freudig nimmt er die Erinnerung auf, klickt auf die Werbung und kann endlich seinen Player bestellen. Einen begeisterten Blog-Beitrag dazu finden Sie hier.

Remarketing als Verkaufsgarant?

In der Realität sieht die Sache allerdings häufig so aus: Der Nutzer kam im besuchten Shop nicht zurecht, weil er Usability-Mängel aufwies, die gewünschte Zahlungsart nicht angeboten wurde, die Versandkosten zu hoch waren, keine Hilfe-Telefonnummer angegeben war… . Er hat diesen Shop entnervt verlassen.

Wenn man also diesen genervten Kunden nun weiterhin penetrant mit seiner Werbung durch das Internet jagt, steigert das seine Kauflaune nicht zwingend. Im Gegenteil, es häufen sich die Berichte über einen Negativ-Effekt! Das Verfolgungsgefühl viele Surfer färbt natürlich negativ auf den Brand oder Shop ab.

Manchmal führt es sogar zu kuriosen Situationen: Der Online-Experte Jim Sterne (Web Analytics Association) kaufte online Schmuck als Geschenk für seine Frau. Da sie am selben Computer arbeitete, wurde sie fortan von der Werbung „verfolgt“. Fast wäre die Überraschung geplatzt. In dem Artikel heißt es: „Negativ sei dabei vor allem der Effekt, dass sich der Nutzer ständig verfolgt fühle. Das Retargeting werde dabei oft so weit getrieben, dass er den Kauf letztendlich bereue, weil er auf Schritt und Tritt auf eine einzige Kaufentscheidung reduziert werde. Das schade der gefühlten Intimsphäre und zerstöre im Extremfall das Vertrauen zum Anbieter.“

Ein schönes Beispiel aus der offline Welt handelt vom Hamburger Fischmarkt: „Nun stellen Sie sich vor, Sie treten an einen dieser Stände heran und schauen sich ein paar Bananen und Orangen an, kaufen aber nichts. Vielleicht weil Ihnen irgendetwas nicht gefällt, zum Beispiel der Preis, die Qualität der Ware oder weil der Verkäufer Sie zu offensiv angeht. So weit so gut. Am nächsten Tag betreten Sie einen Supermarkt und in der Obstabteilung vernehmen Sie wieder lautstark die Stimme des Marktschreiers, der Ihnen Bananen und Orangen um die Ohren haut, in der Hoffnung, Sie Ihnen zu verkaufen. Aber nicht nur hier taucht er auf, auch an der Tankstelle, im Restaurant und in Ihrer Küche. Das nennt sich Re-Targeting und ist keine Geisteskrankheit, sondern ein Tool, um die Conversionsrate zu erhöhen.

Philipp Pfaller hat einen guten Beitrag zu Remarketing geschrieben und beschreibt diesen Aspekt so: „Nerve ich User mit andauernd der gleichen Werbebotschaft, kann sich der Marketingeffekt ins Gegenteil kehren. In diesem Zusammenhang wird Remarketing abschätzig auch als “Verfolgerwerbung” bezeichnet. Der einmal gekaufte Staubsauger verfolgt einen jahrelang auf unzähligen Portalen

Rechtliche Fragen zur „Verfolgerwerbung“

Auffällig ist, dass die euphorischen Berichte zum Retargeting überwiegend aus von jenseits der Grenzen kommen. Gibt es für Deutschland vielleicht nicht so viele Erfolgsstorys? Sind die Datenschutz-Bedenken in Deutschland wirklich besonders stark ausgeprägt (Google Street-View-Debatte)? Sind die Deutschen vielleicht ein bisschen hysterisch? Ich meine nein. Ein bisschen „gesunde Skepsis“ der Datenkrake Google gegenüber ist durchaus berechtigt. Google ist ein gewinnorientiertes Unternehmen. Kürzlich sagte der Google-Gründer Sergey Brin: Wir möchten Google zu eurer dritten Gehirnhälfte machen (Zitat nach Internet World Business v. 27.10, 20/10 S. 58)

Es ist in meinen Augen nicht unwahrscheinlich, dass die negativen Aspekte des Remarketing in Deutschland besonders stark ins Gewicht fallen. Auch die Facebook-Debatten zeigen, dass es hierzulande berechtigterweise eine hohe Sensibilität beim Thema Datenschutz gibt.

Ob das Retargeting nach aktueller Rechtslage überhaupt gefahrlos angewandt werden darf, kann ich nicht beurteilen. Es handelt sich vielleicht um eine ähnliche Situation wie bei Google-Analytics, denn es fehlt das Einverständnis des Werbeempfängers. Es wird der Besuch auf einer Site getrackt und der Besucher weiß nichts davon. Das weiß er natürlich auch bei jeder Web-Tracking-Lösung nicht.

Man kann natürlich wieder argumentieren, dass keine Persönlichkeitsrechte verletzt werden können, da das Tracking ja nicht personalisiert wird. Man weiß nur dass jemand auf der Site war – aber nicht wer es war.

Diese Argumentation greift nach meiner Meinung jedoch in diesem Fall zu kurz: Ziel der ganzen Sache ist ein Kauf. Wenn das Retargeting funktioniert, kauft der Kunde am Ende. Für jeden Kauf muss er seine Adressdaten angeben. Wie wird verhindert, dass seine persönliche Customer Journey aus den Cookies seines Rechners mit seinen Adressdaten in Verbindung gebracht werden kann?

Retargeting sinnvoll nutzen

Wenn die datenschutzrechtlichen Fragen gelöst sind oder man ein eventuell vorhandenes rechtliches Risiko in Kauf nehmen möchte, kann Retargeting sinnvoll sein. Es bietet neue Möglichkeiten.

Damit die Sache erfolgreich wird, ist allerdings ein hohes Engagement auf Seiten des Site- bzw. Shop-Betreibers Voraussetzung. Man muss dem potentiellen Kunden einen Grund geben, seine Meinung zu ändern. Die maßgeschneiderte Werbebotschaft kann lauten: Lieber Interessent,

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Der Site- bzw. Shop-Betreiber sollte also spezielle Landingpages schaffen, spezielle Angebote auflegen, seine Nutzer befragen, Usability-Fragen klären … .

Dann kann der SEA-Dienstleister spezielle Retargeting Kampagnen aufsetzen. Dabei muss er insbesondere darauf achten, dass die Zielgruppe sich nicht verfolgt fühlt. Es sollte vorsichtig und mit Fingerspitzengefühl gearbeitet werden. Weniger ist mehr. Eine freundliche Erinnerung kann funktionieren – massives „Marktgeschrei“ nicht.

Dazu sollte der SEA-Dienstleister unbedingt „frequency capping“ einsetzen. Damit kann man die Frequenz steuern, mit der Nutzer mit der Werbung konfrontiert werden. Einige wenige Einblendungen pro Woche könnten noch positive Reaktionen hervorrufen. Das häufig eingesetzte Retargeting ohne „frequency capping“ führt tendenziell zu negativen Auswirkungen für den Brand.

Fazit

Wir raten seit Beginn der Euphorie-Welle unseren Kunden, das Thema Retargeting vorsichtig anzugehen. Die begeisterten Stammkunden erreichen Shops schon lange auf den „traditionellen“ Wegen wie Newslettern sehr gut. Hier geht es deshalb nach unserer Einschätzung um die weniger begeisterten Kunden oder die Noch-Nicht-Kunden. Nur weil ein Nutzer schon einmal eine Site besucht hat (und sie genervt verließ?) ist er nicht zwingend ein ideales Werbe-Ziel. Vielleicht wirft man den schlechten Werbe-Euros für den Nicht-Kunden nur weitere gute Werbe-Euros hinterher?

Ein Einstieg lohnt nur, wenn die Ressourcen für spezielle Angebote vorhanden sind. Es muss einiges an Zeitaufwand eingeplant werden. Wenn der SEA-Dienstleister dann die Strategie mit Fingerspitzengefühl umsetzt, kann es erfolgreich werden. Weil diese Nutzer schon ein prinzipielles Interesse an Ihrem Angebot gezeigt haben, ist es vielleicht möglich, dass sie durch eine vorsichtige Erinnerung zu Kunden werden.